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FOM H OCHSCHULE FÜR O EKONOMIE & M ANAGEMENTS TUDIENGANG : M ASTER OF H UMAN R ESOURCE M ANAGEMENTDie systemische Intervention im Rahmen derOrganisationsentwicklungM ASTERTHESISAutorin:Nicole Starrmann, 302312Beethovenstraße 2660325 Frankfurt13. Juli 2014Betreuerin:Dipl. Kffr.Bettina Schottler, MA
InhaltsverzeichnisAbkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .iAbbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .iiTabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .iii1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11.1Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11.2Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21.3Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .41.4Struktur der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .51.5Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .52 Idealtypische Beratungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .62.1Definition der Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .62.2Fach- versus Prozessberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .82.2.1Fachberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .92.2.2Prozessberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102.2.3Gegenüberstellung der Fach- und Prozessberatung . . . . . . . . . . . 103 Organisationsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123.1Managementberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143.2OE und systemische Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153.2.1Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163.2.2Organisationstheorie und Systemtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . 233.2.3Vorgehen und Methoden der Organisationsentwicklung und der systemischen Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 Systemische Intervention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531
4.1Begriffsklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534.2Funktion von Interventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544.3Systemische Interventionsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555 Gegenüberstellung OE und systemische Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . 636 Ein kombiniertes Beratungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 646.1Komplementärberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 656.2Kombiniertes Beratungskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 676.3Praxisbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 687 Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 708 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 729 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7710 Internetquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
AbkürzungsverzeichnisBKS . . . . . . . . . . . . . Berater-Klienten-SystemBS . . . . . . . . . . . . . . . Beratersystembzgl. . . . . . . . . . . . . . bezüglichGKS . . . . . . . . . . . . . geschlossenes KommunikationssystemGOE . . . . . . . . . . . . . Gesellschaft für OrganisationsentwicklungHR . . . . . . . . . . . . . . . Human ResourcesKS . . . . . . . . . . . . . . . KlientensystemKVP . . . . . . . . . . . . . Kontinuierlicher VerbesserungsprozessMOEW . . . . . . . . . . . Moderne OrganisationsentwicklungOE . . . . . . . . . . . . . . . OrganisationsentwicklungTQM . . . . . . . . . . . . . Total Quality Managementz. B. . . . . . . . . . . . . . . zum BeispielSeite i
Abbildungsverzeichnis1Grafische Übersicht der Thesis-Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2Die Beratungsfelder der Organisationsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . 143Eckpunkte moderner Organisationsentwicklung (MOEW-Modell) . . . . . . 284Wissenschaftlich untersuchte Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315Einfache und komplexe Situationen im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . 326Leitprinzipen bei psychischen und sozialen Systemen . . . . . . . . . . . . . 367Ziele der Organisationsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388Prozess und Aufgaben der Organisationsentwicklung . . . . . . . . . . . . . 409Das Erstgespräch im Rahmen der Auftragsklärung . . . . . . . . . . . . . . . 4110Die Koordinierungsgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4311An der Beratung beteiligte soziale Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4712An der Beratung beteiligte soziale Systeme (überarbeitete Version) . . . . . . 4813Die angepasste Reflexionsschleife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4914Beispiel einer systemischen Prozessarchitektur . . . . . . . . . . . . . . . . . 5115Cluster der Interventionstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6216Der Komplementär Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6517Kombinierte Beratungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6718Die systemische Intervention im Rahmen der Organisationsentwicklung . . . 6719Prozessschema der Führungskräfteentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . 6920Module der Führungskräfteentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69Seite iiiv
Tabellenverzeichnis1Unterschiede der Fachberatung und Prozessberatung . . . . . . . . . . . . . 112Die drei Felder der Organisationsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213Metaphern der Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224Systemtheoretische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335Funktionen der Steuerungsgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526Funktionen von Interventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547Interventionstechniken nach Autoren sortiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . 568Beispielfragen zur Wirklichkeitskonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . 58Seite iii
Grafische Übersicht zur Struktur der ArbeitAbbildung 1: Grafische Übersicht der Thesis-Struktur. Eigene Darstellung.Seite iv
11EINLEITUNGEinleitung„Umfang und Geschwindigkeit der Veränderungen in Markt und Gesellschaft,insbesondere aber in der Technik, haben Dimensionen erreicht, die mit demtraditionellen Denken und dem entsprechenden Instrumentarium vomManagement nur noch unzureichend bewältigt werden können.“— W. Pfeiffer und R. Dögl in: Bleicher (2011, S. 47)1.1EinführungWirtschaftskrisen, rasante technologische Entwicklungen, Globalisierung – die heutige Zeitist dynamisch, unvorhersehbar und komplex. Wie schaffen Unternehmen unter diesen Bedingungen Überleben und Weiterentwicklung? Was macht die Lebenskraft eines dauerhaftwirksamen Unternehmens aus?Dies kann gelingen durch das richtige Umgehen mit den sich bietenden Chancen. „Richtig“ ist dabei stets subjektiv, kann aber im Sinne von nachhaltig und ganzheitlich verstandenwerden. Wie gelingt es, diese Chancen zu sehen und zu nutzen? Durch die Verbindung vonbeiden „Bühnen“, auf denen die Aktivitäten der Organisationen bzw. Unternehmen ablaufen:Die Bühne der offiziellen Ansagen und die Bühne der inoffiziellen Vorgänge mit dem Einfluss des menschlichen Faktors.Nur die offizielle Bühne bespielen? Wird kaum gelingen. Den Fokus nur auf die inoffizielleBühne richten? Wird nicht die Wirksamkeit bringen, die es für den globalen Chancenwettbewerb braucht (vgl. Halek in: ?, S. 11).Diese Arbeit beschäftigt sich daher mit der dritten Bühne. Eine Bühne, die einlädt zu einerinterdisziplinarischen Zusammenkunft verschiedener Erfolgsfaktoren. Zu einer Kombinationder rationalen, sichtbaren sowie der subtileren, unbewussten und oft unsichtbaren Aspekte. Durch verbindende Interventionen auf den verschiedenen Ebenen Organisation, GrupSeite 1 von 78Studentin: Nicole Starrmann
1.2Problemstellung1EINLEITUNGpen/Teams und Individuen.Nur so können Organisationen die aktuellen und zukünftigen Veränderungen meistern undChancen effizient, nachhaltig und ganzheitlich nutzen:Durch eine dritte Bühne!1.2ProblemstellungDas Leben der Menschen ist geprägt von gesellschaftlichem, technologischem und geopolitischem Wandel, denn wie der deutsche Philosoph Immanuel Kant einst gekonnt kommentierte: „Es ist nichts beständiger als die Unbeständigkeit“ (vgl. Kleingeld, 1995, S. 11).Was heutzutage jedoch anders erscheint, ist die Häufigkeit, Geschwindigkeit sowie die Dynamik mit der tiefgreifende Veränderungen geschehen. Boos (2004) umschreibt diese Entwicklung von „Wandel als Übergangsphase“ hin zu einem neuen Verständnis von „Wandelfolgt auf Wandel“ (vgl. Boos, 2004, S. 13). Dieses neue Verständnis eines zeitlich begrenzten,temporären Wandels hin zu einem dauerhaften, fortlaufenden Prozess des Wandels nimmt zunehmend auch Einzug in Unternehmen und Organisationen (vgl. Carnell, 2007, S. 3).Dabei scheinen interessanterweise gerade Unternehmen nicht sonderlich erfolgreich darinzu sein, sich an diese geänderten Gegebenheiten anzupassen. So ermittelte eine Studie, dassüber 70% aller Veränderungsmaßnahmen in Organisationen scheitern (vgl. Rimbach, 2013,S. VI). Hinzu kommt, dass die sich nicht bestätigende Erwartungshaltung von „temporärenWandelphasen“ bisweilen als Auslöser für z. B. Fluktuation, Frustration, Sabotage, Fehlzeiten und „innere Kündigung“ von Mitarbeiter gesehen werden können, was wenig förderlichfür Veränderungsvorhaben ist und vielfach hohe Kosten nach sich zieht (vgl. Rimbach, 2013,S. VI).Dies zeigt auch eine Studie einer Hamburger Unternehmensberatung, bei der 600 Führungskräfte und 1500 Mitarbeiter in Österreich und Deutschland im Jahr 2012 befragt wurden,denn stetige Veränderung belastet Unternehmen und Mitarbeiter deutlich (Die Zeit Online,Seite 2 von 78Studentin: Nicole Starrmann
1.2Problemstellung1EINLEITUNG2012). Doch welche Möglichkeiten existieren, um mit dem Thema Veränderung in Organisationen besser umzugehen?Auf der Suche nach Antworten wenden sich viele Unternehmen hoffungsvoll an Berater, dievon dem dauerhaften Wandel wirtschaftlich profitieren, denn hohe Zuwachsraten kennzeichnen die Nachfragesituation in diesem Wirtschaftssektor (vgl. von Ameln et al., 2009, S. 13).Auch Bleicher (2011) schreibt von einer hohen Verunsicherung und Suche nach Neuorientierung in den Unternehmen, die zu einem Boom in der Beratung geführt hat (vgl. Bleicher,2011, S. 25-26). Doch welche Beratungsformen und Ansätze existieren überhaupt, um dieFolgen von gesellschaftlichem, technologischem und geopolitischem Wandel in Unternehmen zu adressieren?Zuallererst wird in diesem Zusammenhang häufig die Organisationsentwicklung genannt,denn die einschlägige Literatur zu diesem Thema ist mannigfaltig. Dicht gefolgt wird dieOrganisationsentwicklung (OE) jedoch von einem etwas unbekannteren Beratungskonzept,der so genannten systemischen Beratung. Diese beruht auf der Systemtheorie, die wiederum viele Einflüsse der Naturwissenschaften, Psychologie und Pädagogik in sich vereint undseit geraumer Zeit große Beachtung im Unternehmenskontext findet (vgl. Willke, 1996, S. 1).Interessanterweise ähneln sich trotz unterschiedlicher Wurzeln und Methoden des gruppendynamischorientierten Verständnisses der Organisationsentwicklung sowie des soziotechnisch orientierten Systemansatzes, beide Denkansätze insbesondere in ihrem Verständnisvon Wandel und der Steuerbarkeit von Veränderungsprozessen (Wimmer, 1991).In Anbetracht des fortlaufenden Wandels und der zunehmenden Komplexität in Unternehmen sind aus der Perspektive der Systemiker die systemtheoretischen Beratungszugänge ehergeeignet, um mit der geänderten Situation umzugehen (vgl. Exner et al., 1987, S. 1). Vielleicht lassen sich aber auch beide Ansätze in geeigneter Weise kombinieren, um sozusagendas Beste aus beiden Welten zu vereinen?Seite 3 von 78Studentin: Nicole Starrmann
1.3Ziel der Arbeit1EINLEITUNGDiese Arbeit widmet sich daher der Frage, in welcher Art und Weise systemische Interventionsmethoden ergänzend und gewinnbringend in die bisweilen etablierte Organisationsentwicklung eingebracht werden können – trotz der teilweise unterschiedlichen Wurzeln undBeratungsverständnisse. Ein derart kombinierter Beratungsansatz aus Organisationsentwicklung und systemischer Intervention mag zunächst einfach klingen, birgt aber einige Herausforderungen, denen sich diese Arbeit bewusst stellt.Bereichert werden die vorliegenden Überlegungen durch das Wissen und die praktische Erfahrung zweier Experten, die als Berater bereits in der Organisationsentwicklung sowie dersystemischen Beratung tätig sind.1.3Ziel der ArbeitDiese Arbeit liefert einen komprimierten Gesamtüberblick über verschiedene Beratungsformen und beleuchtet als Teil der Prozessberatung die Ausprägungen Organisationsentwicklung und systemische Beratung im Speziellen. Es werden zwei Beratungsansätze vorgestellt,die sich beide mit unternehmerischen Veränderungen und Entwicklungen beschäftigen, sichjedoch durch unterschiedliches Beratungsverständnis, Vorgehen und Methoden unterscheiden.Das Ziel dieser Arbeit wird darin gesehen, Überlegungen anzustellen, inwieweit die Organisationsentwicklung mit Methoden der systemischen Beratung, den so genannten systemischen Interventionen, ergänzt und bereichert werden kann, um kontinuierliche Veränderungsprozesse effizienter, ganzheitlicher und nachhaltiger zu gestalten. Bei der Darstellung derteilweise komplexen und umfassenden Themengebiete, insbesondere bei der Systemtheorie,erhebt die Thesis jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit und eine komplette wissenschaftliche Durchdringung, da diese den Rahmen der Arbeit bei weitem sprengen würde.Vielmehr konzentriert sich die Arbeit daher auf einige ausgewählte Aspekte, um Antwortenauf folgende Fragen zu finden:Seite 4 von 78Studentin: Nicole Starrmann
1.4Struktur der Arbeit1EINLEITUNG Was kennzeichnet die Beratungsansätze „Organisationsentwicklung“ und „systemischeBeratung“? Auf welchen theoretischen Annahmen basieren die beiden Beratungsansätze? Wie wirdbei einem Beratungsprojekt vorgegangen und welche Methoden kommen zum Einsatz? Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede bestehen zwischen den Ansätzen? Wie kann die Organisationsentwicklung durch eine Integration systemischer Methodenergänzt und bereichert werden, so dass der Nutzen und Erfolg für Unternehmen inBezug auf Veränderungs-/Entwicklungsmaßnahmen erhöht werden kann?1.4Struktur der ArbeitFür die Beantwortung der oben dargestellten Fragestellungen werden als Einstieg in die Arbeit die allgemeinen idealtypischen Beratungsformen und die im Unternehmenskontext vorherrschenden Beratungsansätze vorgestellt.Daran anschließend werden Definitionen, theoretische Grundlagen sowie das Vorgehen unddie Methoden der Organisationsentwicklung vorgestellt und mit denen der Systemtheorie verglichen. Der Rest der Arbeit diskutiert eine mögliche Zusammenführung der teilweise sehrunterschiedlichen, aber in ihren Zielsetzungen ähnlichen, Beratungsansätzen.Die Arbeit schließt mit einem kombinierten Modell der Organisationsentwicklung ab, diesystemische Interventionen gezielt integriert und als mögliche Handlungsempfehlung für Unternehmen verstanden werden kann.1.5MethodeUm sich den oben genannten Fragestellungen in dieser literaturbasierten Masterarbeit nähernzu können, besteht ein Großteil der Arbeit aus der Literaturrecherche, welche die deutschund englischsprachige Literatur umfasst, vorwiegend entnommen aus dem Bestand der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt, der Bibliothek der Johann Wolfgang Goethe-UniversitätSeite 5 von 78Studentin: Nicole Starrmann
2IDEALTYPISCHE BERATUNGSFORMENFrankfurt sowie der EBSCO-Datenbank und dem Internet.Dabei werden aus einer breiten Auswahl in der Literatur existierender, vorwiegend theoretischer Inhalte hauptsächlich diejenigen herausgefiltert, die oft wiederkehren und einenbetriebswirtschaftlichen, sozialwissenschaftlichen, organisations-psychologischen oder pädagogischen Bezug aufweisen.Am Ende der literaturbasierten Arbeit steht die Entwicklung eines eigenen theoretischen Modells (Induktion). Der Transfer in die Praxis in Form einer Umsetzung in einem Unternehmenwird im Anschluss an diese Arbeit angestrebt, stellt jedoch keinen Bestandteil dieser Arbeitdar.2Idealtypische BeratungsformenDas Kapitel schafft einen Gesamtüberblick über den Beratungssektor. Nach einer begrifflichen Diskussion darüber, was unter „Beratung“ im Allgemeinen zu verstehen ist, wird aufdie zwei Hauptströmungen Fach- und Prozessberatung eingegangen.2.1Definition der BeratungOrientiert man sich an der Definition des Gabler Wirtschaftslexikons, ist unter Beratung dieAbgabe und Erörterung von Handlungsempfehlungen durch Sachverständige zu verstehen.Nach Gabler gehört Beratung auch zum Aufgabengebiet des Wirtschaftsprüfers (WP); eindirekter Zusammenhang mit der Prüfung selbst besteht aber nicht (Springer Gabler Verlag,2014a, vgl.). Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass sich die Beratung in Bezugauf Organisationen von personenzentrierter Beratung, wie z. B. dem Coaching, unterscheidet(vgl. Schanne, 2009, S. 21).Zu der oben genannten Definition von Beratung, die sich vorwiegend auf gutachterliche Tätigkeiten bezieht, grenzt sich bei Gabler die Definition von Consulting ab. Hiermit ist die individuelle Aufarbeitung unternehmerischer Probleme und Fragestellungen gemeint, die durchSeite 6 von 78Studentin: Nicole Starrmann
2.1Definition der Beratung2IDEALTYPISCHE BERATUNGSFORMENdie Interaktion zwischen externen, unabhängigen Personen bzw. Beratungsunternehmen undeinem Rat suchenden Klienten (Unternehmen) stattfindet (Springer Gabler Verlag, 2014b,vgl.).Vergleicht man die beiden Definitionen, so erscheint für die vorliegende Arbeit die Definitionvon Consulting treffender, da es sich inhaltlich um die individuelle Aufarbeitung von unternehmerischen Problemen handelt. Andere Autoren nehmen die Trennung zwischen Consulting und Beratung nicht explizit vor, sondern definieren den Beratungsbegriff etwas breiter.So werden nach Ludwig Beratungsprozesse in der Regel durch die Anwendung bestimmterBeratungsansätze gesteuert. Hierzu ist ein Auftrag von einer Organisation an einen Berateroder ein Beratungsunternehmen notwendig (vgl. Ludwig, 2006, S. 145).Schwarzer und Posse sehen in der Beratung stets einen Interaktionsprozess zwischen einemoder mehreren Ratsuchenden und dem/den Berater/n, um durch die Bereitstellung und Vermittlung von Information und/oder von Fertigkeiten Entscheidungshilfen zur Problembewältigung bereitzustellen (vgl. Schwarzer und Posse, 1993, S. 634). Hier ist ein erster Unterschied zur Definition von Beratung nach Gabler zu sehen, da unterschieden wird zwischenFertigkeiten im Sinne eines Sachverständigen nach Gabler (siehe oben) und der Bereitstellung und Vermittlung von Informationen.Gemäß Königswieser und Hillebrand (2005) ist Beratung dadurch gekennzeichnet, dass eine Person einer anderen Person oder einer Organisation dazu rät, eine bestimmte Handlungdurchzuführen oder zu vermeiden. Diese Situation kommt gewöhnlich dann zustande, wenneine Person oder Organisation eine Wissenslücke in Bezug auf das weitere Vorgehen hat(vgl. Wimmer et al., 2012, S. 10). Etwas allgemeiner ausgedrückt, kann Beratung definiertwerden als eine kommunikative Situation, in der mit Hilfe von Fertigkeiten (Tools) und Fähigkeiten (Skills) des Beraters Problemlösungskonzepte erarbeitet werden (ebd.). Weiterhinkönnen Beratungen dadurch definiert werden, dass sie entweder ein konkretes Wissen vermitteln oder ein bestimmtes, sinnvolles Vorgehen aufzeigen, wie bestimmte VeränderungenSeite 7 von 78Studentin: Nicole Starrmann
2.2Fach- versus Prozessberatung2IDEALTYPISCHE BERATUNGSFORMENvon der Person selbst erreicht werden können (vgl. Königswieser und Hillebrand, 2005, S.20).In Anbetracht dieser zum Teil recht unterschiedlichen Definitionen fällt auf, dass der Begriff Beratung allgemein recht breit gefasst ist und man nur ein vages Verständnis vermittelt bekommt. Dieser Umstand scheint auch die berufliche Praxis widerzuspiegeln, da auchhier der Begriff Beratung äußerst facettenreich besetzt ist und im täglichen Sprachgebrauchoft verallgemeinert wird, wodurch schnell Missverständnisse entstehen können. Um solchenMissverständnissen zu begegnen, orientiert sich die Arbeit im weiteren Verlauf an der Definition von Schwarzer und Posse (1993), die Beratung beschreiben als „Interaktionsprozesszwischen einem oder mehreren Ratsuchenden und dem/den Berater/n, um durch die Bereitstellung und Vermittlung von Information und/oder von Fertigkeiten Entscheidungshilfen zurProblembewältigung bereitzustellen“ (vgl. Schwarzer und Posse, 1993, S. 634).Ebenso kommen bei der genaueren Betrachtung der verschiedenen Definitionen von Beratung die zwei wesentlichen Strömungen (Fachberatung und Prozessberatung) zum Vorschein.Einerseits kann Beratung stattfinden durch das Verkaufen von Information zu spezifischen,fachlichen Themen (sog. Fachberatung) und andererseits kann Beratung als prozessuale Begleitung bei Problembewältigung verstanden werden (Prozessberatung). Das nachfolgendeKapitel widmet sich einer detaillierten Unterscheidung dieser beiden Strömungen.2.2Fach- versus ProzessberatungWas Fach- und Prozessberatung verbindet, ist der Anspruch, Lösungen für ein Problem anzubieten. Das, was die Beratung bringen soll, benennt der Kunde. Seine Anliegen und seineVeränderungs- oder Lernziele stehen im Vordergrund, erfordern jedoch unterschiedliche Beratungsaktivitäten, die entweder zu fachlichen oder prozessualen Handlungsoptionen tendieren (vgl. Berufsverband für Coaching, Supervision und Organisationsberatung (BSO), FaselRappo, 2012, S. 3). Zunächst wird an dieser Stelle auf die fachlichen Handlungsoptioneneingegangen.Seite 8 von 78Studentin: Nicole Starrmann
2.22.2.1Fach- versus Prozessberatung2IDEALTYPISCHE BERATUNGSFORMENFachberatungGenerell wird bei der Fach- und Prozessberatung oft zwischen der „harten“ und der „weichen“ Beratung unterschieden. Die Fachberatung symbolisiert dabei die harte Beratung (vgl.Reineck und Anderl, 2012, S. 21).Sie verfolgt das Ziel, dem Auftraggeber sachliche Informationen und thematisches Fachwissen zu übermitteln. So sollen Entscheidungsgrundlagen geschaffen und Handlungsoptionenfür eine Veränderung oder Problemlösung aufgezeigt werden. Kennzeichnend für die Fachberatung sind häufig auch die Festlegung eines konkreten Ziels sowie die genaue Vereinbarungder jeweiligen Zwischenziele (vgl. Wimmer et al., 2012, S. 10).Fachberatung bezeichnet somit die inhaltliche Stellungnahme einer Beratungsperson in Formeiner fachlichen Darstellung, eines Lösungsvorschlags, eines detaillierten Feedbacks oderauch einer persönlichen Situationseinschätzung (vgl. Berufsverband für Coaching, Supervision und Organisationsberatung (BSO), Fasel-Rappo, 2012, S. 12).Die Problemlösung findet demnach anhand einer spezifischen Auswahl, Kombination undInterpretation von Daten bzw. Informationen statt. Hierbei entsprechen die Interpretationslogik und die erarbeiteten Schlussfolgerungen häufig rein rational nachvollziehbaren UrsacheWirkungs-Prinzipien. Die Sachlogik und die Denk- und Handlungslogik des Kundensystemssteht im Vordergrund (vgl. Königswieser, 2006, S. 34).Geht man davon aus, dass hinter dem Prinzip der Fachberatung bestimmte Grundannahmenstehen, dann kann der Fachberatung ein eher mechanistisches Verständnis zugrunde gelegtwerden, bei dem die ökonomische Rationalität im Vordergrund steht (vgl. Froschauer undLueger, 2010, S. 250). Dazu existiert ein starker Fokus auf der rationalen, messbaren Überprüfung der Beratungsergebnisse („harte Faktoren“).Seite 9 von 78Studentin: Nicole Starrmann
2.22.2.2Fach- versus Prozessberatung2IDEALTYPISCHE BERATUNGSFORMENProzessberatungAls Pedant zur Fachberatung gilt die Prozessberatung. Sie ist die begriffliche Bezeichnungfür eine Beratungsform, bei der die Prozessgestaltung zur Entwicklung bzw. Problemlösungim Vordergrund steht. Die entsprechenden fachlichen Informationen gelten teilweise als imUnternehmen bereits verankert (vgl. Froschauer und Lueger, 2010, S. 247).Bei der Prozessberatung wird nahezu kein fachlicher Input in Form von Handlungsempfehlungen und Gutachten geliefert. Vielmehr besteht das Ziel darin, dass das Unternehmen eigenständig Probleme identifiziert und Lösungswege erarbeitet. Dies geschieht überwiegenddurch kommunikative Verfahren ohne Vermittlung inhaltlicher Ziele, Normen und Werte. DerBerater nimmt vielmehr die Funktion eines Begleiters ein (vgl. Schache, 2010, S. 23).2.2.3Gegenüberstellung der Fach- und ProzessberatungIn Anlehnung an Kühl und Moldaschl wird zusammenfassend festgehalten, dass die Fachberatung hilft, ein vorhandenes Wissensgefälle zwischen Berater und dem ratsuchenden Unternehmen zu vermindern und mit Hilfe von konkreten Zielsetzungen und gezielten Maßnahmenschnelle sowie ökonomisch messbare Ergebnisse zu generieren. Sie nimmt dem UnternehmenEntscheidungen ab und erhält somit eine Art Führungsfunktion (vgl. Kühl, 2010, S. 248).Die Prozessberatung hingegen grenzt sich davon deutlich ab, indem sie dem UnternehmenWege aufzeigt, mit zukünftigen Herausforderungen besser umzugehen. Entscheidend sindhier anfangs nicht konkrete Zielsetzungen und Maßnahmen, sondern vielmehr einen Entwicklungs und Erkenntnisprozess in Gang zu setzen. Konkrete Zielsetzungen ergeben sichdann erst während des Beratungsverlaufes.Darin sehen Prozessberater auch einen Hauptkritikpunkt an der Fachberatung. Denn durchdas Übernehmen der Entscheidungsmacht durch Fachberater fehlt es oftmals an Anschlussfähigkeit und Akzeptanz durch die beteiligten Mitarbeiter des Unternehmens (vgl. Staehle,1991, S. 27). Ein weiterer Unterschied wird darin gesehen, dass die Verantwortung nicht ab-Seite 10 von 78Studentin: Nicole Starrmann
2.2Fach- versus Prozessberatung2IDEALTYPISCHE BERATUNGSFORMENgegeben wird, sondern zu jedem Zeitpunkt bei der Organisation selbst bleibt (ebd.).Kritiker der Prozessberatung hingegen postulieren häufig, dass Prozessberatung ohne Fachberatung Ressourcen vergeude. Sie behaupten weiterhin, dass nicht jedes Team in der Lagesei, sinnvolle Lösungen selber zu entwickeln (vgl. Berufsverband für Coaching, Supervisionund Organisationsberatung (BSO), Fasel-Rappo, 2012, S. 7-8).Die nachfolgende Tabelle fasst die jeweiligen Unterschiede der beide Beratungstypen nochmals tierungDie Beratung orientiert sichan inhaltlichen Erfordernissen der Organisation. Es wirdeine fachliche Expertise fürwirksame Interventionen angeboten. Schnelle und in derRegel ökonomisch messbareErfolge werden angestrebt.Die Beratung orientiert sichan dem Entwicklungsprozess.Sie bietet ein ProzessKnowhow an und versprichtihren Kunden, künftig mitProblemen besser umgehenzu können.ZielsetzungEine klare Zielsetzung wirdverfolgt: Sie soll helfen, vorhandene Probleme zu beseitigen. Diese Ziele müssen daher formuliert sein, um detaillierte Maßnahmen zu derenErreichung anbieten zu können.Der Beratungsprozess orientiert sich an der Dynamik derAnforderungen in der organisationalen Entwicklung. Aufgrund der prozeduralen Offenheit erfolgt periodisch eine Überprüfung des Entwicklungsstandes.FunktionDie Beratung leitet die Organisation an und übernimmt eine Art Führungsfunktion.Die Beratung wird als KoKonstruktion verstanden. Sieunterstützt die Organisationbei der Entscheidungsfindung.Tabelle 1: Unterschiede der Fachberatung und Prozessberatung. Eigene Darstellung in Anlehnung an Kühl und Moldaschl, 2010, S. 248Seite 11 von 78Studentin: Nicole Starrmann
3ORGANISATIONSBERATUNGIn Unternehmen kommen beide Beratungsformate zum Einsatz, je nach Anforderung und Bedarf des Kunden. Allgemein fasst man die Beratungen, die in Organisationen stattfinden, alsOrganisationsberatung zusammen, unabhängig davon, um welche Art es sich jeweils genauhandelt.3Organisationsberatung„Die Kunst der Organisationsberatung ist die Kunst des Auswechselns vonRegeln für das Machen und Verstehen von Entscheidungen.“— Willke, 2005, S. 155Entgegen spezifischer Modelle und Theorien, wie sie beispielsweise in den Wirtschaftswissenschaften oder in den Sozialwissenschaften existieren, scheint es bei der Organisationsberatung an einem allgemein gültigen Rahmen für Wissenschaft und Praxis zu fehlen. Diesmag daran liegen, dass der Berufszweig Beratung nicht einheitlich definiert wird (siehe oben);vielmehr finden sich bei der Berufsgruppe der Berater häufig Personen mit sehr interdisziplinarischen Wissensgebieten. Ebenso sind Beratungsteams häufig interdisziplinär besetzt.Daher sei an dieser Stelle angemerkt, dass die Vermittlung einer allgemein gültigen Lehreoder einer bestimmten, festgelegten Theorie nicht verfolgt werden kann, da dies den Rahmen der Arbeit deutlich sprengen würde. Die hier vorgestellten Definitionen und Inhalte resultieren aus einer umfangreichen Literaturrecherche der interdisziplinarischen Bereiche derBetriebswirtschaft, der Sozialwissenschaften, der Psychologie und weiteren angrenzendenGebieten. Diese erheben jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit.Nach Wimmer (1991) wird die Organisationsberatung durch drei Hauptfelder charakterisiert.Diese bestehen aus (vgl. Howaldt, 1996, S. 49): Managementberatung OrganisationsentwicklungSeite 12 von 78Studentin: Nicole Starrmann
3ORGANISATIONSBERATUNG Systemische BeratungEine im Kern gleiche Begriffszuordnung liefern Kühl und Moldaschl, nach denen sich bei derOrganisationsberatung drei eigenständige Beratungsfelder herausgebildet haben, die „klassische Managementberatung“, die „Organisationsentwicklung“ und die „systemische Beratung“ (vgl. Kühl, 2010, S. 68). Walger ori
systemischen Beratung tätig sind. 1.3Ziel der Arbeit Diese Arbeit liefert einen komprimierten Gesamtüberblick über verschiedene Beratungsfor-men und beleuchtet als Teil der Prozessberatung die Ausprägungen Organisationsentwick-lung und systemische Beratung im