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1Dossier184 Reportage Wer heute noch in Schlössern undBurgen wohnt, wer sie kauft und verkauft188 Interview Warum wir Neuschwanstein undSanssouci weiter subventionieren sollten191 Grafik Zahlen, Daten, Fakten und Kurioseszum Markt für alte GemäuerNebenkosten statt MinnesangViele Burgen und Schlösser kosten pro Quadratmeter weniger als eine Doppelhaushälftein München. Wie der besondere Markt für Adelssitze tickt von Hilmar Poganatz184 URO 05 14

2Foto: Andreas von Einsiedel/Engel & Völkers„Marodes Märchenschloss“ mit Renovierungsstau – so sieht die „Frankfurter Rundschau“ dashessische Schloss Ramholz südlich von Fulda.Es steht seit acht Jahren zum Verkauf. Der Besitzerhingegen wähnt es „in gutem baulichen Zustand“.Der Makler Engel & Völkers listet das Neorenaissanceschloss für 10 Millionen EuroSchlossherrin Constanze empfängt standesgemäß.Ihr Gast im dunklen Anzug hat seinen schwarzen BMW in derSchlossauffahrt geparkt und Platz genommen auf einem thronartigen Sessel unter einem mächtigen mittelalterlichen Gewölbe. An der Wand lehnen Schwerter und eine Ritterrüstung. DieSchlossbesitzerin serviert Donauwellen und Quarkkeulchenzum Kaffee. Zum Glück scheint heute in Thüringen die Sonne.Denn so fällt trotz der 1,20 Meter dicken Mauer genügend Lichtauf den Tisch, auf dem der Gast seine Unterlagen ausgebreitethat. „Exposé/Angebot 3293 Schloss Eichicht“ steht dort:„Saniertes Höhenschloss in Südthüringen — Angebotspreis1 100 000 Euro“. URO 05 14 185

3Der Gast der Schlossherrin ist kein Prinz. Der etwas untersetzte Herr mit Glatze ist Makler. Der Makler, der das Heim derSchlossherrin auf den Markt bringen soll. Und Burgherrin Constanze ist keine Adelige, deren Sippe ihr Schloss schon seit Jahrhunderten bewohnt. Sie ist nicht einmal eine „von“, sondernheißt schlicht Dölz. Mit ihrem fröhlichen Gesicht, den wachenAugen hinter der Brille und dem zum Pferdeschwanz gebundenen Haar erinnert sie eher an eine Lehrerin.Kleiner, spezialisierter MarktTatsächlich unterrichtete Frau Dölz zu DDR-Zeiten Mathe undPhysik. Dann aber kam die Wende, und ihr Mann stieg nichtnur in den Reihen der Firma, für die er in Ostdeutschland Baukräne verkaufte, sondern auch zum Schlossbesitzer auf.Zur Blütezeit des Adels standen in Deutschland rund 25 000Fürsten-Residenzen, heute schätzen Experten den Bestand anSchlössern und Burgen auf 10 000, von der Ruine bis zum Palast. Rund die Hälfte sind in öffentlicher Hand, der Rest in Privatbesitz. Nicht immer sind die Besitzer große Institutionen,Unternehmer wie Reinhold Würth, Solarworld-Chef Frank Asbeck oder TV-Stars wie Thomas Gottschalk. Immobilienmakler sprechen von einem kleinen, spezialisierten Markt, auf demauch gut verdienende Angestellte, Ärzte oder Anwälte kaufen.186 URO 05 14Pro Jahr kommen in Deutschland 20 bis 40 Schlösser und Burgen auf den Markt (siehe Seite 191). Die Preise beginnen bei200 000 Euro — etwa für das Burgschloss Tannroda im thüringischen Ilmtal, „ausgebaut als Schlossrestaurant mit Museum“.Am oberen Ende finden sich Prachtbauten wie das hessischeSchloss Ramholz südlich von Fulda, „mit reichem und wertvollem Marmor, Stuck und Holzvertäfelungen“, wie es beim Makler Engel & Völkers heißt, sowie „umfassenden Ländereien“von 15 Hektar. Kostenpunkt: zehn Millionen Euro. Rund zehnProzent Abgaben und Maklergebühren kommen da gewöhnlich noch hinzu. Die Verkäufer sind nur noch vereinzelt alteingesessene Familien. Meist handelt es sich um erfolgreiche Unternehmer, die sich vor Jahren ein Schloss gekauft haben, dessen Erhalt ihnen im Alter zu anstrengend wird.Auch für Burgfrau Constanze Dölz und ihre Familie ist derSchlossverkauf das Ende einer Lebensphase. 1999 hatten siedie über 600 Jahre alte ehemalige Burg erworben. Heute throntdas Fachwerk-Schlösschen über dem malerischen DörfchenEichicht an der Saale, mit direktem Blick auf das Saaletal, denThüringer Wald, das Schiefergebirge und die ICE-Strecke München-Berlin. „Wir suchten damals ein großes, alleinstehendesHaus mit viel Grund für uns, unsere vier Kinder und unsere Eltern“, erzählt Dölz. An eine Burg hatte keiner gedacht, aberdann stieß ihr Mann in der Zeitung auf eine Anzeige der TLGFotos: Hilmar Poganatz, Burkhard BerndtSchloss Eichicht: Für 1,1 Millionen Euro will Inhaberin Constanze Dölz ihr Fachwerk-Schlösschen, in dem sie 15 Jahre mit ihrer Familie lebte, über den Makler Matthias Helzel verkaufen. Auf den Mauern einer Burg erbaut, wurde das Schloss 1383 erstmals erwähnt

4Schlösser und Burgen DossierFürstlich wohnen: Ideal für Großfamilien – auf Schloss Eichichthaben mehrere Generationen PlatzTreuhand. Die Liegenschaftsgesellschaft des Bundes wollte dasseit der Wende leer stehende Schloss für eine Million D-Markverkaufen. Zuvor hatte es die DDR-Reichsbahn als Wohnheimfür Lehrlinge genutzt. „Das Schloss sah wirklich schlimm aus“,erinnert sich Dölz, „bei unserer ersten Besichtigung stand nochdie gesamte Einrichtung des Wohnheimes da, alle Rohre undelektrischen Leitungen lagen auf Putz. Das Haus musste vonGrund auf saniert werden.“Trotzdem: Nach drei Bieter-Runden kauft die Familie dasheruntergewirtschaftete Haus zum Schnäppchenpreis von190 000 Mark und macht sich an die Sanierung. Linoleum raus,„Schloss-Laminat“ rein. Neue Fenster, ein Carport mit Solardach, drei Ferienwohnungen. Mama kriegt ein Schwimmbadim Kartoffelkeller, Sohn Christoph eine Tischlerei im Scheunenhaus. 2012 zieht auch die Schwiegermutter ein, doch da istdie Familie schon wieder auf dem Absprung: Drei Kinder sindnach dem Studium in Leipzig geblieben. „Wir werden auch dorthinziehen. Wir wollen schließlich im Alter nicht allein auf demBurgberg sitzen“, sagt Constanze Dölz. Wie so viele älter werdende Schlossbesitzer wendet sie sich an einen Makler — Matthias Helzel, der Mann, dem sie heute Donauwellen serviert.Bei Helzel landet man schnell, wenn man „Schloss-Immobilien“ bei Google eingibt. Gemeinsam mit Partner Bernd Neuhäuser vermarktet der Bayer mit dem dezidierten Hochdeutschseit 2007 historische Immobilien. Als Dölz anruft, weiß er sofort, um welches Objekt es geht. „Ich kenne so viele Burgen undSchlösser, bei 1000 habe ich aufgehört zu zählen.“ 18 Burgenund Schlösser in Deutschland hat er zurzeit im öffentlichen Angebot. Da Diskretion in seinem Geschäft über alles geht, versorgt er registrierte Interessenten auch mit „Geheimangeboten“, darunter eine große Burganlage mit zehn Hektar Landzum stolzen Preis von 18 Millionen Euro (Foto Seite 190).Helzel ist ein echter Burgen-Narr. Schon als Schüler verlorder heute 41-Jährige sein Herz an die Burgen am Rhein. Schnellfüllte sich sein Regal mit Büchern und Bildbänden, der Schreibtisch mit Kartonbau-Modellen, die Festplatte mit Entwürfenvon Fantasieburgen. Später trat der gelernte Hochbaukon strukteur der Deutschen Burgenvereinigung bei und organisierte Besichtigungstouren für hartgesottene Fans: „Pro Taghaben wir zehn Burgen angefahren, da braucht man nachhererst mal Urlaub.“ Eine Erfahrung, die ihm heute hilft, denn 30Besichtigungen pro Objekt sind keine Seltenheit.Die Folgekosten? Unberechenbar!Die Kaufentscheidung für ein historisches Anwesen ist um einVielfaches schwieriger als bei einem neueren Haus. „Da vomBauzustand über den Denkmalschutz bis hin zu den Nebenkosten so viele Faktoren eine Rolle spielen, gibt es keine Gutachter, die den Wert und die Folgekosten exakt beziffern können“,weiß Helzel aus Erfahrung. Bei einer großen Anlage wie derBurg Kipfenberg im oberbayerischen Altmühltal könnten dieGesamtkosten im Jahr gut und gern 100 000 Euro betragen.Die Burg mit Bergfried und Hexenturm stand für 5,7 MillionenEuro zum Verkauf. Auch andere Schlossherren wie der Verein„Ökowerk Brandenburg“, der das Schloss Tornow bei Fürstenberg saniert hat, berichten von ähnlich hohen Kosten. Nur selten stehen die Folgekosten wie beim Ilmtal-Schloss Tannrodaschon im Exposé: „Der kommunale Eigentümer verlangt vomKäufer, dass er in die Anlage innerhalb von fünf Jahren nachKauf mindestens 1 000 000 Euro investiert.“„Jedes Schloss ist ein Unikat“, sagt Helzel. Welche Kostenaber selbst ein kleinerer Sitz verursachen kann, zeigt die Besichtigung: Beim Abstieg in die Gewölbe berichtet HausherrinDölz von einem Heizölverbrauch von bis zu 9000 Liter im Jahr.Macht zu aktuellen Preisen knapp 7000 Euro. Auf einer grünweißen Holztreppe geht es hinauf in den mächtigen, zwei geschossigen Dachstuhl, der seit 1696 unter einem Walm- URO 05 14 187

5dach aus Thüringer Schiefer ruht. Die Kehlbalkenkonstruktion, die schon den kaiserlichen Restaurator Bodo Ebhardt beeindruckte, scheint fest und trocken — „ein immenses Plus fürjedes Schloss“, sagt Helzel.Unter dem Turmaufsatz mit seiner Fledermauskammer erzählt Constanze Dölz, dass das Schloss nachts angestrahlt wird.„So kommen wir auf durchschnittliche Stromzahlungen von750 Euro pro Quartal — aber wir speisen ja auch Elektrizitätein.“ Insgesamt hielten sich die jährlichen Kosten in Grenzen,sagt Dölz, sie lägen in etwa so hoch wie bei einem vergleichbargroßen Bauernhaus.„Manche Schlossherren leben auf einer ewigen Baustelleund ziehen Gerüste ein, damit der Stuck nicht in den Kaffeefällt“, erzählt Helzel, „aber hier kann man eigentlich gleich einziehen.“ Anderthalb Jahre dauert eine Vermittlung im Schnitt.Für das kleine Wohnschloss an der Saale hofft der Makler,schneller einen Käufer zu finden. Einen ersten Interessentengab es bereits: einen Swingerklub, dessen Betreiber sich aberim letzten Moment anders entschied.Sexklubs, Hoteliers, Kliniken, Unternehmer und Privatleute — welche Klientel treibt sich um auf dem kleinen Markt derSchloss-Immobilien? Als Helzel die prächtige Burg Kipfenbergvermarktete, bekam er es zunächst mit einigen „Spinnern“ zutun: „Einer stellte sich als legitimer Erbe der Könige von Polenvor“, erinnert er sich. Ein anderer stellte sich im Ort schon über-all als der neue Burgherr vor, obwohl er bis über beide Ohrenverschuldet war. Am Ende erhielt der Bremer Hydraulik-Unternehmer Thomas Armerding den Zuschlag.Betongold statt Papiergeld„Hauptsächlich sind es Unternehmer, die genügend Geld übrighaben und in Betongold investieren wollen“, sagt Helzel. EineBeobachtung, die sein wichtigster Konkurrent bestätigt: Christoph Freiherr Schenck zu Schweinsberg hat beim internationalen Luxusmakler Engel & Völkers vor zwei Jahren eine neueAbteilung für „Castles & Manor Houses“ aufgebaut. Der Freiherr, der schon in seiner Jugend die Ferien in einem Herrenhaus unterhalb der hessischen Burg Schweinsberg verbrachte,sieht einen Markt, „in den große Vermögen aus dem Papiergeldfliehen“. Noch seien 80 Prozent der Interessenten Deutsche,„aber die Zahl der ausländischen Käufer steigt schnell“. Sie kämen vermehrt aus den arabischen Ölstaaten, Russland und Asien, vor allem China. „Von denen kauft sich aber keiner von heute auf morgen eine Burg als Souvenir“, wiegelt der Freiherr ab.Meist hätten die Käufer längst einen Wohnsitz oder eine Firmain Deutschland. „Auch die Chinesen rechnen ganz genau“, bestätigt Makler Helzel. Er habe bisher nur ein Schloss an einenRussen vermittelt, die größte Interessentengruppe komme ausder nahen Schweiz.Interview Hartmut Dorgerloh, Kunsthistoriker„Wie der Eiffelturm für Paris“Der Kunsthistoriker Hartmut Dorgerlohsteht wie kein Zweiter für den Erhalt derdeutschen Schlösser und Burgen. ImGespräch mit uro erklärt er, warum wirSchlösser brauchen – und warum derStaat das unterstützen muss188 URO 05 14 uro: Herr Dorgerloh, Sie sagen Burgen und Schlösser sind extrem wichtigfür unser Land. Warum?Hartmut Dorgerloh: Sie sind sogarunverzichtbar! Auf den Hitlisten touristischer Ziele rangieren Schlösser weitoben. Deutschland ohne Neuschwanstein, die Wartburg und Sanssouci —nicht vorstellbar. Ein Schloss besuchtfast jeder gern, vergleichbar ist das nurmit Freizeitparks.Warum sind uns Schlösser wichtig?Ein Schlossbesuch ist ein Ausflug invergangene Zeiten, in ein anderes Leben. Zudem haben Schlösser oft spektakuläre Aus- oder Ansichten. Der Umriss von Neuschwanstein prägt sogardas Disney-Logo. Daran sieht man, wiestark die Marke Neuschwanstein international wahrgenommen wird. Das istwie der Eiffelturm für Paris.Auf wie viele Besucher kommen diestaatlichen Schlösser und Burgendenn im Jahr?Wir gehen von etwa 80 Millionen Besuchern aus, Tendenz steigend. Das wärealso die Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik, die einmal jährlich insSchloss geht.Eine ganze Menge! Leidet darunternicht die historische Substanz?Doch, es gibt Häuser wie Neuschwanstein oder Sanssouci, in denen die Besucherzahl beschränkt bleiben muss,damit kein Schaden entsteht und dieBesucher sich weiterhin wohlfühlen.

6Schlösser und Burgen DossierFoto: SPSGSo wie Constanze Dölz und ihrer großen Familie geht es vielendabei um die einfache Formel: viel Wohnraum für wenig Geld.1,1 Millionen Euro soll Schloss Eichicht kosten, weniger als eine Stadtvilla in München oder Hamburg, zumal Dölz noch mitsich handeln lassen würde. „In einer dicht besiedelten Regionwie Deutschland werden bebaute Flächen mit vielen Quadratmetern in Zukunft noch deutlich im Wert steigen“, ist sich derHamburger Makler von Schenck sicher. Zudem seien historische Häuser aus haltbaren, ökologischen Materialien gebautund lägen meist an guten Orten. Eine Lage in der Nähe einesBallungsraums sei neben dem Erhaltungszustand das wichtigste Kriterium: „Da kann man ein gutes Investment machen undbeim Weiterverkauf eine sehr gute Rendite erzielen.“Die Nachfrage steigt, darin sind sich die beiden Spezial-Makler einig. „Der größte Anreiz dabei ist oft der steuerliche Aspekt“, sagt Helzel. Mit der „Erhöhten Absetzung für Abnutzungbei Baudenkmalen“, der sogenannten Denkmal-Afa, fördert derStaat zwar nicht den Erwerb, wohl aber den Erhalt historischerImmobilien — und zwar recht großzügig: Wer sein Schlossselbst bewohnt, kann laut Paragraf 7 Einkommensteuergesetzüber einen Zehnjahreszeitraum bis zu 90 Prozent der Kostenabsetzen, die zur „Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmaloder zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind“. Kapitalanleger können über zwölf Jahre verteilt sogar bis zu 100 Prozent der Sanierungskosten abschreiben. „Das ist eine der letz-Auch der ideelle Verschleiß sollte nichtüberzogen werden. Wenn jede Burg einRitterspektakel oder eine Folterkammer hat, geht die Faszination verloren.Andererseits gibt es große Anlagen wiedie Marienburg bei Hannover, die nochviel mehr Besucher vertragen könnte.Historische Gebäude zu erhalten istteuer. Können die staatlichen Schlösser über die Besucherzahlen ihre Kosten decken?Ein Verbund wie die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg oder die Bayerische Schlösserverwaltung kommt auf Kostendeckungsquoten von 50 bis 60 Prozent. Das liegtan den oft enormen Baukosten. So hatetwa die Instandsetzung der GroßenKolonnade am Neuen Palais von Sanssouci 24 Millionen Euro gekostet. Dabeigeneriert sie gar keine Einnahmen, son-ten Möglichkeiten, die der Gesetzgeber an Steuersparmöglichkeiten gelassen hat“, sagt Freiherr Schenck zu Schweinsberg.Und zwar aus gutem Grund: „Weil es einen gesellschaftlichenKonsens darüber gibt, dass wir die große Fülle unserer historischen Häuser erhalten wollen.“Wie aufwendig der Erhalt einer Jahrhunderte alten Anlagesein kann, hat Schlossherrin Constanze Dölz in den vergangenen 15 Jahren erlebt. Fast die gesamte Freizeit der Familie flossin die Sanierung. Makler Helzel kann von einem Freund berichten, der seit 13 Jahren an einer Burgruine bei Weimar herumwerkelt — allein mit einem Bauhandwerker. Dennoch: „Wir haben den Kauf des Schlosses nie bereut“, sagt Dölz, „unsere jüngeren Kinder haben bei der Sanierung viel geholfen.“ Die gemeinsame Aufgabe habe sie als Familie zusammengeschweißt.„In einem Schloss zu wohnen, heißt nicht, reich zu sein“,fasste das Dilemma ein Nachfahre der Habsburger Kaiser zusammen. Für die Servus-TV-Serie „Wo Grafen schlafen“ besuchte Eduard Habsburg-Lothringen deutsche und österreichischeSchlossbesitzer. Sein Fazit: „Die Instandhaltungskosten sindenorm, und viele müssen hart arbeiten, damit das Geld dafürhereinkommt.“ Einige Schlossherren setzen auf Veranstaltungen, Dreharbeiten oder Produktpräsentationen, Tagungen undHochzeiten. Die meisten privaten Besitzer nutzen ihr Domiziljedoch ausschließlich zum Wohnen und lassen kaum Besucherein, so wie Familie Dölz auf Schloss Eichicht. Die Besich- dern steht nur herum und verbindetzwei Gebäude. So wie sich früher derartige Investitionen nur der König erlauben konnte, kann sich das heutenur der Staat leisten.Können denn einzelne Ensembles kostendeckend betrieben werden?Ja, bei vielen englischen Herrenhäusern funktioniert das. Es geht aberauch in Deutschland — Beispiele sinddie Burg Hechingen nahe Tübingenoder das Schloss Weissenstein im fränkischen Pommersfelden. Nur von Besuchern können aber auch die nicht leben. Häufig kommen Nebeneinkünfteaus Forstwirtschaft, Weinbau, Landwirtschaft, Hotelbetrieb, Gastronomieund dem Merchandising hinzu.Deutschland hat rund 10 000 Schlösser und Burgen — wie viele können wiruns leisten, dauerhaft zu erhalten?Man wird sie nicht alle dauerhaft erhalten können, jedenfalls nicht, ohne dassder historische Bestand die Veränderungen mitmacht. Das ist auch eineAufgabe der Zivilgesellschaft. Insgesamt ist der Zustand der deutschenSchlösser in den vergangenen 25 Jahrenaber deutlich besser geworden: Schlösser sind wieder im Trend. In Potsdam,Berlin, Braunschweig oder HannoverHerrenhausen wird sogar neu gebaut.Hartmut Dorgerloh (51) ist 1. Vorsitzender des 2012 gegründeten VereinsSchlösser und Gärten Deutschland,dem die Schlösserverwaltungen derLänder sowie private Besitzer historischer Immobilien angehören. Hauptberuflich ist er Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und GärtenBerlin-Brandenburg. URO 05 14 189

Diskretion gefragt: Weil viele Verkäufer die Öffentlichkeit scheuen, bleiben Namen und weitere Informationen beim Schlossverkaufoft geheim. So wie dieser mit 18 Millionen Euro Kaufpreis derzeit teuersten Burganlage im Angebot eines Spezialmaklerstigung ist zu Ende. Matthias Helzel, der Makler, steht im sonnigen Schlossgarten. Die Bäume des schlosseigenen Waldesschlagen aus, die Vögel zwitschern. Der ruhige Burgwinter istvorbei, die Saison der Schlossjäger beginnt. „Wir verzeichnenschon ein reges Interesse an Ihrer Immobilie, Frau Dölz“, sagtHelzel, der manchmal dazu neigt, etwas gestelzt zu sprechen.„Schloss Eichicht ist nicht nur für Investoren, sondern auch fürgroße Familien bestens geeignet“, findet er. Der nahe ICE-Bahnhof in Saalfeld, die abgeschlossene Sanierung und die Möglichkeiten, im Scheunenhaus ein Café oder Restaurant unterzubringen, haben ihn überzeugt: „Diesen Sommer sehen wir unshäufiger!“ Ein Händedruck zum Abschied, automatisch öffnetsich das Eisentor des Anwesens, und der Makler rollt in seinerLimousine den Burgberg hinab. Mein Name, mein Geld, mein SchlossEin „wunderbares Refugium“ habe er gefunden. So schwärmteFilmstar Nicolas Cage, als er 2006 für zwei Millionen Euro dasbayerische Schloss Neidstein kaufte. Als er nur drei Jahre später wieder verkaufte, ging Cage den schweren Weg vieler neureicher Schlossbesitzer. Denn häufig ist das Leben als „Burgherr“ weniger romantisch als angenommen. 3,5 Millionen Europlus 1,5 Millionen Euro für Modernisierungen gab ThomasGottschalk (Foto links) aus, der sich 2008 das WohnschlossMarienfels am Rhein kaufte, angeblich nur für seine Frau. 2013reichte er die Immobilie für geschätzte fünf Millionen Euro anSolar world-Gründer Frank Asbeck (Foto rechts) weiter, demschon das nahe gelegene Schloss Calmuth gehörte. Schrauben-Milliardär Reinhold Würth lebt seit 1974 standesgemäßund kaufte 2005 ein Schlosshotel hinzu. Natürlich gibt esauch bekannte adlige Schlossbesitzer. Der blaublütigste istErbprinz Ernst August von Hannover. Dem Sohn des Welfen-Oberhaupts Ernst August gehört Schloss Marienburg. 190 URO 05 14Fotos: Bild vom Eigentümer, Sebastian Gabsch/Geisler-Fotopress/dpa Picture-Alliance, Wolfgang von Brauchitsch/SolarWorld AG, Wilfried Wirth/Imagebroker/action press, iStockphoto7

8Schlösser und Burgen Dossier1010434Prozent aller Burgen sind nurnoch in der Hand des AdelsMeter erstreckt sich die Burg im oberbayerischen Burghausen vonNord nach Süd und ist damit dielängste Burganlage der WeltBurg- und Schlossanlagen inDeutschland sind UNESCO-Welterbe: Würzburger Residenz mit Hofgartenund Residenzplatz Schlösser Augustusburg und Falkenlust in Brühl Schlösser und Gärten von Potsdamund Berlin Wartburg bei Eisenach10 000Schlösser und Burgengibt es schätzungsweisein der BundesrepublikDeutschland100Alte Gemäuer werdenzurzeit zum Kauf angeboten309010200Burgen undSchlösser werdendurchschnittlichJahr für Jahr verkauftProzent der Renovierungskostensind jährlich vonder SteuerabsetzbarMillionen Eurokostet das hessischeSchloss Ramholz –das teuersteAngebot derzeitTausend Eurokostet das thüringische Schloss Tannroda – dasgünstigste derzeitQuelle: Vermittlung Historischer Immobilien, Engel & Völkers, Guiness Buch der Rekorde, uro URO 05 14 191

seit 2007 historische Immobilien. Als Dölz anruft, weiß er so-fort, um welches Objekt es geht. „Ich kenne so viele Burgen und Schlösser, bei 1000 habe ich aufgehört zu zählen.“ 18 Burgen und Schlösser in Deutschland hat er zurzeit im öffentlichen An - gebo