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Körner- versus Pelletfütterung bei WellensittichenKörner- versus Pelletfütterung bei WellensittichenFeeding a seed mixture versus a formulated diet to budgerigarsSabine G. Gebhardt-Henrich, Andreas SteigerZusammenfassungIn Deutschland wird zunehmend über die Ernährung von Sittichen mit Pellets und Extrudaten diskutiert. In dieser Studie untersuchten wir das Fress- und Futterwahlverhalten beiWellensittichen, die mind. 20 Monate lang mit Pellets oder herkömmlichem Körnerfuttergefüttert worden waren. 18 Wellensittichpaare wurden in 2 m langen Volieren ohne Sichtkontakt zu anderen Vögeln gehalten. 9 Paare bekamen Körnerfutter (Hammer 90, FelixJordi AG), 9 Paare bekamen AVIFOOD Pellets. Nach einer 3-wöchigen Eingewöhnungszeit wurde das Verhalten am Futterplatz zweimal während 12.5 h (ganze Lichtperiode) auf Video aufgenommen und ausgewertet. Einmal pro Paar wurden die tägliche Futtermenge und die Wasseraufnahme gemessen. In einem 2. Teil wurden die gleichen Paare ohneSichtkontakt in 160 cm lange Boxen gesetzt. Die Paare wurden für 3 h getrennt und nurdas ungewohnte Futter stand zur Verfügung. Konsumierte Futtermengen wurden ermitteltund das Verhalten gefilmt. Am folgenden Tag wurden den Paaren beide Futterarten angeboten und der Verbrauch gemessen. Wellensittichmännchen mit Pellets frassen signifikanthäufiger als solche mit Körnern. Wenn nur das ungewohnte Futter zur Verfügung stand,frassen Vögel, die an Pellets gewohnt waren, Körner, aber Vögel, die an Körner gewöhntwaren, frassen keine Pellets. Im Wahlversuch mit beiden Futtersorten frassen die Paarebeider Gruppen ca. dreimal mehr Körner als Pellets. Diese Versuche zeigen deutlich, dassWellensittiche die Körnerfütterung bevorzugen.SummaryIn Germany, feeding pellets to parakeets is controversial. In this study, we investigated thefeeding behavior and food choice of budgerigars that had been either fed pellets or conventional seeds for at least 20 months. 18 pairs were kept in 2 m long aviaries withoutvisual contact to other birds. 9 pairs were fed seeds (Hammer 90, Felix Jordi AG), while9 pairs were fed AVIFOOD pellets. After 3 weeks of habituation the behavior of the budgerigars at the feeder was filmed and analyzed twice during 12.5 h (the entire light period). Once, the daily ration of food and water per pair was measured. In a second part, thesame pairs were kept in 160 cm long boxes. The pairs were separated for 3 hours and onlygot the unfamiliar food. The quantitiy of the consumed food was calculated and the birdswere filmed. On the following day, both types of food were offered to the pairs and theconsumption was measured. Male budgerigars in the pellet group ate significantly morefrequently than male budgerigars in the seed group. When only the unfamiliar food wasoffered birds used to pellets ate seeds but birds used to seeds did not eat pellets. In the foodchoice experiment pairs of both groups significantly preferred seeds.KTBL-Schrift 448 203

S. Gebhardt-Henrich, A. Steiger1EinleitungWildlebende Wellensittiche ernähren sich ausschliesslich von verschiedenen Samen amBoden (Wyndham 1980). Auch Wellensittiche als Heimtiere werden meistens mit Samenmischungen gefüttert, deren Zusammensetzung aber zum grössten Teil nicht den natürlichvorkommenden Arten entspricht (Ullrey, et al. 1991). Wenn Vögel aus Samenmischungenauswählen können, nehmen sie u.U. eine unausgewogene Diät auf. Daher ist die Pelletfütterung (eventuell extrudiert) bei Nutzgeflügel üblich. Bei Labortieren kann man durchPelletfütterung die individuelle Variation in der Futterwahl ausschliessen. Auch für Wellensittiche werden Pellets (Extrudaten) als Alleinfuttermittel angeboten. Da die Fütterungvon Heim- und Nutztieren viele Aspekte umfasst (Crissey 2005), untersuchten wir das Futterverhalten von Wellensittichen in Volierenhaltung mit Körnerfütterung oder Pelletfütterung. Futtersuche, -aufnahme, -bearbeitung und schliesslich der Konsum sind Teil desarttypischen Verhaltens und beschäftigen das Tier. Ein breites Angebot an Nahrungsmitteln kann eine Form von Anreicherung der Umwelt sein (environmental enrichment). Es istwahrscheinlich, dass Verhaltensweisen, die mit der Nahrungsaufnahme assoziiert sind, positive Emotionen auslösen. Ein Eingriff in das Futterverhalten könnte Verhaltensstörungenund Gesundheitsprobleme mit sich ziehen. Adipositas war die wichtigste ernsthafte Erkrankung in einer untersuchten Gruppe von Wellensittichen (Frost 1961).Vögel sind im allgemeinen sehr konservativ bei der Futterwahl (dietary conservatism)(siehe Kelly and Marples 2004 mit weiteren Referenzen). Bevor sich Vögel dem neuenFutter nähern, können sie Neophobie zeigen (Kelly and Marples 2004). Diese Neophobiekann dazu führen, dass das neue Futter zunächst nicht probiert wird. Die Umstellung vonKörnerfutter auf Pellets war in unserer Kolonie von 22 ca. einjährigen Wellensittichenschwierig. Während der 14-tägigen Umstellung verloren die Vögel durchschnittlich 16 %an Körpergewicht und ein Vogel starb an Unterernährung (Fischer et al., in Druck). In einemzweistufigen Wahlversuch wurden sowohl Neophobie und Ablehnung des ungewohntenFutters untersucht.Zur Zeit werden unseres Wissens keine Wellensittiche in der Schweiz mit Pellets ernährt.Da die Pellets aber in Deutschland bereits angeboten werden, werden Züchter und Haltervon Wellensittichen in Zukunft überlegen, ob sie auf Fertignahrung umstellen sollen.2Methoden2.1TiereDie Wellensittiche im Alter von 1.5 und 6 Jahren stammten von verschiedenen Zuchtenaus der Schweiz. Die meisten Vögel waren bei uns gezüchtet worden und waren in der Fütterungsstudie von Fischer et al. (in Druck) verwendet worden. Die Vögel wurden in Gruppen von ca. 20–40 in grossen Volieren (1 x 4 x 2 m) gehalten, die Futternäpfe (pro Voliereentweder mit Körnerfutter oder mit Pellets) waren am Boden. Karottenscheiben wurdenzweimal pro Woche gegeben, diese wurden mit Vitaminpulver in den Volieren mit Körnerfutter vermischt. Die Vögel mit der Pelletfütterung waren bereits während mindestens 20Monaten an dieses Futter gewöhnt worden.204 KTBL-Schrift 448

Körner- versus Pelletfütterung bei 5AnalysenDas Körnerfutter bestand aus Hammer 90 von Felix Jordi AG (www.felixjordiag.ch/sortiment/hammer/90.html). Pellets waren von AVIFOOD (www.avifood.com) (Tab. 1).Im ersten Experiment wurden 18 Wellensittichpaare (9 Paare mit Körnerfutter, 9 Paaremit Pellets) in je einer 2 x 1 m grossen Voliere gehalten. Aus Platzmangel wurden dieExperimente dreimal hintereinander mit je 3 Paaren beider Futtergruppen durchgeführt (3 Serien). Sie konnten die anderen Vögel nicht sehen, aber hören. In den Volieren waren2 Sitzstangen im Abstand von 120 cm 140 cm über dem Boden angebracht. Futter undSand wurden in Näpfen am Boden der Volieren angeboten. Wasser stand in Trinkflaschenad libitum zur Verfügung. Die Videokameras auf Stativen befanden sich während des gesamten Experiments innerhalb der Volieren. Zusätzlich zum Tageslicht gab es nicht flackernde Leuchtstoffröhren über den Volieren mit einer zweimaligen Dämmerungsperiode.Im zweiten Experiment wurden 17 Paare (die gleichen wie in Experiment 1) in Boxengehalten (160 cm x 40 cm x 50 cm). Sie hatten wiederum keinen Sichtkontakt, aber Hörkontakt zu den anderen Vögeln. Die Boxen beinhalteten 4 Sitzstangen; Futter und Sandwurden in Näpfen auf einem Brett knapp über dem Boden angeboten. Wasser gab es adlibitum. Während des gesamten Experiment standen die Videokameras auf Stativen vorden Boxen. Als Zusatz zum Tageslicht waren an den oberen Kanten der unteren Boxennicht flackernde Leuchtstoffröhren angebracht.Die Vögel wurden am Beginn und am Ende der Experimente gewogen. Vor den Filmaufnahmen konnten sich die Wellensittiche 3 Wochen eingewöhnen. In der dritten Wochewährend der Eingewöhnung von Experiment 1 wurde der Futter- und Wasserverbrauch proPaar während 24 h gemessen. In der vierten Woche wurden die Futternäpfe in jeder Volierevon 5:30 (noch dunkel) bis 18:00 Lokalzeit (wieder dunkel) gefilmt. Wir benutzten einenVideorekorder mit Zeitrafferfunktion (Panasonic AG-6730) und Farbkameras (PanasonicWV-CP450). Jeden Tag wurden 4 Volieren gleichzeitig gefilmt und jede Voliere wurde an 2Tagen während dieser Woche gefilmt.Experiment 2: Um 8 Uhr Lokalzeit wurde alles Futter entfernt. Männchen und Weibchen wurden getrennt, indem die Boxen in zwei 80 cm lange Hälften geteilt wurden. JederVogel bekam einen Futternapf mit 10 g des ungewohnten Futters. Die Vögel wurden während 3 Stunden gefilmt. Danach wurde das restliche Futter gewogen, die Trennung derPartner aufgehoben und das gewohnte Futter gegeben. Am folgenden Tag wurde die tägliche Ration beider Futterarten den Paaren angeboten. Der Verbrauch des Futters pro Paarwurde während 24 h gemessen. Wegen Platzmangel konnten nur 6 Paare gleichzeitig inBoxen gesetzt werden. Sie wurden an zwei aufeinanderfolgenden Tagen gefilmt, drei Paare(von beiden Futtersorten) pro Tag.Das Futterverhalten wurde mit der The Observer Software (Noldus, Wageningen) kodiert.In beiden Experimenten wurden die Frequenz und die Dauer des Aufenthalts an den Fut-KTBL-Schrift 448 205

S. Gebhardt-Henrich, A. Steigerternäpfen und des Fressens von Futter oder Sand gemessen. Alle statistischen Analysenwurden mit SAS 9.02 (SAS Institute, Inc.) durchgeführt. Daten und Residuen wurden aufNormalverteilung untersucht und, wenn nötig, transformiert (jeweils im Text vermerkt).Die Modelle beinhalteten Serie als einen zufälligen Faktor. Da sich das Fressverhalten vonMännchen und Weibchen stark unterschied, wurde es nach Geschlechtern getrennt analysiert. Die Experimente waren vom Amt für Landwirtschaft des Kantons Bern bewilligt.3Resultate3.1Experiment 13.1.1 KörpergewichtZu Beginn unterschieden sich die Körpergewichte von Wellensittichen mit Körnerfutterund solchen mit Pellets nicht (F1,29 0.04, NS). Die meisten Vögel nahmen während desExperiment 1 ab, der Verlust war für beide Geschlechter und Futtersorten identisch (Durchschnitt der Summe der Gewichtsänderungen pro Paar - 8.00 g 8.16) (Tab. 2). Die Gewichtsänderungen der Wellensittiche waren innerhalbder Paare nicht korreliert(rPearson 0.15, N 17, NS).Wellensittiche mit Pelletfütterung verbrauchtensignifikant mehr Wasser alsWellensittiche mit Körnerfutter (Tab. 3). Gewichtsmässig war der Verbrauch vonPellets und Körnern gleich.3.1.2 V erhalten amFutterplatzDie individuellen Unterschiede im Fressverhalten der Männchen warensehr gross, es gab einzelne Männchen, die den Futterplatz über 100 Mal amAbb. 1: Box plots der Häufigkeit des Fressens bei WellensittichmännchenTag aufsuchten. Männchenwährend eines Tages. Die Analyse wurde mit log-transformierten Wertendurchgeführt, hier sind die Rohdaten angegeben. Das Kästchen zeigt 75%suchten den Futternapf vielder Daten, der vertikale Strich den Range, der horizontale Strich den Meöfter auf als Weibchen unddian und der Stern den Mittelwert.frassen auch öfters (GeBox plots of the frequencies of eating in male budgerigars during one day.mischtes Lineares Model mitThe analysis was done with log-transformed data, here the raw data areWiederholungsmessungen,shown. The box depicts 75 % of the data, the vertical line shows the ranF1,30 12.41, p 0.001). Einge, the horizontal line shows the median, and the star shows the mean.Weibchen kam nur einmal206 KTBL-Schrift 448

Körner- versus Pelletfütterung bei WellensittichenTab. 1: Zusammensetzung der FuttermittelContents of types of feedInhalt %Contents %ProteinFettFasernAscheWasserKalziumPhosphorHammer 90 KörnerSeeds14.54.07.25.7keine Angaben3.54.8Avifood (Pellets)Pellets14.06.04.52.710.00.60.4Tab. 2: Körpergewichtsänderungen [g] (Köpergewicht am Ende – Körpergewicht am Anfang) während des ExperimentsChanges of body masses [g] (final body mass – initial body mass) during the lichNN9998Durchschnitt Standardabweichungmean standard deviation-4.01 3.01-3.99 5.32-3.90 5.53-3.64 7.62Tab. 3: Futter- und Wasserverbrauch [g] während 24 h. Für die Analyse (GLM) wurde der Wasserverbrauch log-transformiert. In dieser Tabelle sind die Rohdaten. In der Analyse vom Wasser gab eseinen signifikanten Effekt der Serie (F2,2 5.27, P 0.0227). Die Interaktion zwischen Behandlungund Serie war nie signifikant. N 18.Food and water consumption [g] per pair within 24 h. For the analysis (GLM) the amount of waterwas log-transformed. In this table the raw data are given. In the analysis of water the series differed significantly (F2,2 5.27, P 0.0227). The interaction between treatment and the series wasnever significant. N 13.3715.89F-WertF-value0.1885.82P-WertP-valueNS 0.0001während der 12.5 stündigen Lichtperiode zum Fressen, ein anderes zweimal. Die Minimumanzahl im Aufsuchen des Futternapfs war 5 Mal für Männchen. Männchen mit Pelletfutter kamen häufiger zum Futternapf als Männchen mit Körnern (Durchschnitt beiPellets: 47, Durchschnitt bei Körnern: 30, Gemischtes Lineares Model mit log-transformierten Frequenzen: F1,16 6.32, P 0.023), aber es gab keinen Unterschied bei den Weibchen mit verschiedenem Futter. Ähnliches galt für die Häufigkeit des Fressens: MännchenKTBL-Schrift 448 207

S. Gebhardt-Henrich, A. Steigermit Pelletfutter frassen signifikant häufiger als Männchen mit Körnerfutter (F1,16 4.69,P 0.023) (Fig. 1). Wenn die Wellensittiche den Futternapf aufsuchten, frassen sie fast immer auch. Daher sind die Messwerte für Anwesenheit am Futternapf und Fressen hoch korreliert (Spearman Rank Korrelationskoeffizienten von mind. 0.74, P-Werte von höchstens0.004). Im Gegensatz dazu korrelierte bei den Weibchen die durchschnittliche Aufenthaltsdauer (bout length) am Futternapf nicht mit der durchschnittlichen Fressdauer (bei Pelletsund Körnern). Die Korrelationen zwischen Latenz am Fressnapf und Latenz Fressen betrugin beiden Geschlechtern und beiden Futtersorten 1.0. Das bedeutet, dass die Vögel beimersten Aufsuchen des Futternapfs am Tag auch gleich frassen.Sand wurde bei beiden Gruppen gleich viel konsumiert.3.1.3 Korrelationen zwischen Konsum und VerhaltenDer Futter- und Wasserkonsum konnte nur für das Paar gemessen werden (siehe Methoden). Der Futterkonsum und die Frequenz des Fressens der Männchen war nur bei der Körnergruppe korreliert (Körner: rs 0.85, P 0.004, N 9, Pellets: rs - 0.59, NS, N 9). DerUnterschied der Korrelation zwischen den Futtergruppen, angezeigt durch die Interaktion,war signifikant (F1,5 38.9, P 0.002). Das gleiche gilt für die Korrelation zwischen derFrequenz des Fressens und der konsumierten Wassermenge (Körner: rs 0.68, P 0.04, N 9, Pellets: rs 0.25, NS, N 9, Interaktion zwischen Wassermenge und Futterart: F1,6 10.1, P 0.02).3.1.4 Korrelation zwischen Konsum und KörpergewichtDer Futter- und Wasserkonsum konnte nur für das Paar gemessen werden (siehe Methoden). Bei den Männchen gab es keine signifikanten Korrelationen zwischen dem Futteroder Wasserkonsum und dem Körpergewicht, ausser dass Männchen, die häufiger frassen,mehr Wasser verbrauchten (rs 0.63, P 0.006, N 18). Bei den Weibchen hingegen warendie Frequenz des Fressens und die totale Dauer des Fressens signifikant negativ mit demKörperwicht am Schluss des Experiments und der Gewichtszunahme während des Experiments korreliert (Tab. 4). Es gab keine Korrelationen mit dem Anfangsgewicht.Tab. 4. Spearmansche Korrelationskoeffizienten zwischen Futterverhalten und Köpergewicht amEnde des Experiments und Gewichtsänderungen während des Experiments (Köpergewicht am Ende– Körpergewicht am Anfang) bei weiblichen Wellensittichen. N 17. Die Signifikanzen sind inunter den Koeffizienten angegeben.Spearman’s correlation coefficients between feeding behavior and body mass at the end of the experiment and body mass changes during the experiment (final body mass – initial body mass) infemale budgerigars. N 17. The significances are given underneath the coefficients.Endkörper gewichtGewichts änderung208 Frequenz FressenFrequenz Sandfressenfrequency of eating frequency of eating sand-0.58-0.580.020.02-0.58-0.580.010.01Latenzzeit FressenDauer Fressenlatency of eating duration of eating0.49-0.610.050.010.34-0.43NSNSKTBL-Schrift 448

Körner- versus Pelletfütterung bei Wellensittichen3.2Experiment 23.2.1 Konsum von ungewohntem Futter und FutterwahlWenn nur das ungewohnte Futter zur Verfügung stand, konsumierten beide Geschlechter der Pelletgruppe signifikant mehr Körner, als Vögel der Körnergruppe Pellets frassen(Median Test für Männchen: x21 11.7, P 0.0006, N 16, für Weibchen: x21 12.6,P 0.0004, N 17). Wenn während 24 h beide Futtersorten zur Verfügung standen, konsumierten beide Gruppen mehr Körner als Pellets (Fig. 2). Die Pelletgruppe konsumierteallerdings signifikant mehr Pellets als die Körnergruppe (Median Test: x21 3.8, P 0.05,N 16). Die Menge konsumierter Körner unterschied sich nicht signifikant zwischen denGruppen (Median Test: x21 0.9, NS, N 16).Es gab keine signifikanten Unterschiede in der Latenzzeit bevor die Männchen zumungewohnten Futter kamen oder dieses aufnahmen. Allerdings frassen die Männchen, diePellets gewohnt waren, länger und häufiger von den Körnern, als die Männchen, die Körner gewohnt waren, Pellets frassen (Frequenz: . F1,6 12.3, P 0.01, N 10, Dauer: F1,7 28.1, P 0.001, N 10, alleDaten wurden log-transformiert). Bei den Weibchengab es keinen signifikantenUnterschied zwischen derPellet- und der Körnergruppe.4DiskussionDie Vorliebe der Wellensittiche für Körnerfutter kamin den Wahlversuchen (Experiment 2) deutlich zumAusdruck. Da die Latenzzeit (Zeitdauer bevor dieVögel den Futternapf mitdem ungewohnten Futteraufsuchten) zwischen beiden Gruppen gleich war,war Neophobie vor den Pellets kaum vorhanden. Allerdings frassen Wellensittiche,die Körner gewöhnt waren,kaum Pellets, wohingegenWellensittiche, die Pelletsgewöhnt waren, Körner frassen. Wenn beide Futterartenangeboten wurden, frassenKTBL-Schrift 448 Abb. 2: Der Futterverbrauch an Pellets und Körnern von Wellensittichpaaren aus der Pelletgruppe (Pelletg.) und der Körnerfuttergruppe (Körnerg.).Es wurden signifikant mehr Körner konsumiert als Pellets. Der Konsumvon Pellets war bei den Pellet gewohnten Vögeln signifikant höher, als beiden Körner gewohnten Vögeln (siehe Text). Die Menge an konsumiertenKörnern unterschied sich nicht zwischen den Gruppen.The consumption of pellets and seeds by pairs of budgerigars from thepellet group (pellet g.) and the seed group (seed g.). The consumptionof seeds was higher than the consumption of pellets. The consumptionof pellets was significantly higher in birds used to pellets than in birdsused to seeds. There was no difference in the amount of consumed seedsbetween the groups.209

S. Gebhardt-Henrich, A. Steigerauch die Wellensittiche, die Pellets gewöhnt waren, mehr Körner als Pellets. Es gibt mehrere mögliche Erklärungen für die Wahl der Körner. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dieWellensittiche, die mit Pellets gefüttert wurden, sich noch an das Körnerfutter erinnerten,das sie während der Aufzucht bekamen. Ferner könnten Wellensittiche eine genetisch begründete Vorliebe für Körner haben. Abgesehen von der unterschiedlichen Form von Körnern und Pellets könnten Körner den Wellensittichen auch besser schmecken.Die Futterart hatte einen signifikanten Einfluss auf die Häufigkeit, mit der Wellensittichmännchen den Futternapf aufsuchten und frassen. Körner werden von Wellensittichenmeistens erst geschält, bevor sie in den Kropf aufgenommen werden (Wyndham 1980). Esist möglich, dass die längere Beschäftigungsdauer mit den Körnern dazu führte, dass dieWellensittiche in grösseren Abständen den Futternapf aufsuchten. Dies führte aber nichtzu Gewichtsunterschieden, wahrscheinlich weil die Häufigkeit des Fressens bei der Pelletgruppe nicht mit der Menge des aufgenommenen Futters korreliert war.Bei den Verhaltensbeobachtungen wurde das unterschiedliche Fressverhalten derGeschlechter deutlich. Ein Teil der Weibchen suchte das Futter nur selten auf und wurdeoffensichtlich zum grössten Teil vom Partner gefüttert (siehe auch Schnegg et al., in prep.).Weibchen, die oft selber frassen und wahrscheinlich kaum vom Partner gefüttert wurden,hatten am Ende ein geringeres Körpergewicht als solche, die selten frassen und wohl vomPartner viel gefüttert wurden.Beide Futtermittel enthielten ein Drittel mehr Proteine, als in zwei unabhängigen Studien als das Optimum für Wellensittiche festgestellt wurde (Drepper, et al. 1988). Da mitden Wellensittichen bei den meisten Heimtierhaltern nicht gezüchtet wird, ist eine ständigeÜberversorgung mit Protein unnötig und möglicherweise schädlich.Zusammenfassend wurde festgestellt, dass Wellensittiche Körner den Pellets vorziehenund Wellensittichmännchen bei Pelletfütterung ein geändertes Fressverhalten zeigen. Dakeine gesundheitlichen Vorteile bei Pelletfütterung vorliegen (Fischer, et al. in Druck), dieUmstellung aber risikoreich ist und die Vögel selber lieber Körner fressen, wird von derPelletfütterung bei Wellensittichen abgeraten.5LiteraturCrissey, S. (2005): The complexity of formulating diets for zoo animals: a matrix, InternationalZoo Yearbook 39: 36–43.Drepper, K.; Menke, K.-H.; Schulze, G.; Wachter-Vormann, U. (1988): Untersuchungen zum Protein- und Energiebedarf adulter Wellensittiche (Melopsittacus undulatus) in Käfighaltung,Kleintierpraxis 33: 57–62.Fischer, I.; Christen, C.; Lutz, H.; Gerlach, H.; Hässig, M.; Hatt, J.-M. (im Druck): Influence oftwo different diets on haematology, plasma chemistry, and intestinal flora in budgerigars(Melopsittacus undulatus), The Veterinary Record.Frost, C. (1961): Experiences with pet budgerigars, The Veterinary Record 73: 621–626.D. J. Kelly, D.J.; Marples, N. M. (2004): The effects of novel odour and colour cues on foodacceptance by the zebra finch, Taeniopygia guttata, Animal Behaviour 68: 1049–1054.210 KTBL-Schrift 448

Körner- versus Pelletfütterung bei WellensittichenUllrey, D. E.; Allen, M. E.; Baer, D. J. (1991): Formulated diets versus seed mixtures for psittacines, Journal of Nutrition 121: S193–S205.Wyndham, E. (1980): Environment and food of the budgerigar Melopsittacus undulatus, Australian Journal of Ecology 5: 47–61.Sabine G. Gebhardt-Henrich & Andreas Steiger, Vetsuisse Fakultät Bern, Postfach, CH-3001 Bern, SchweizKTBL-Schrift 448 211

Körner- versus Pelletfütterung bei Wellensittichen KTBL-Schrift 448 203 Körner- versus Pelletfütterung bei Wellensittichen Feeding a seed mixture versus a formulated diet to budgerigars Sabine G. Gebhardt-henrich, andreaS SteiGer Zusammenfassung In Deutschland wird zunehmend über di